IN-FORM.de: Wie viel sportliche Bewegung ist für Erwachsene gesund?
Prof. Froböse: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, fünfmal die Woche 30 Minuten körperlich aktiv zu sein, insgesamt also 150 Minuten. Darüber hinaus sollten auch im Alltag verteilt stündlich kleine Bewegungspausen die Inaktivität unterbrechen.
Was sind heute die vorrangigen Gesundheitsprobleme von Angestellten? Und was kann man selbst am Arbeitsplatz tun?
Prof. Froböse: Das größte Problem der Angestellten ist die meist sehr lange Zeit körperlicher Inaktivität durch ständiges Sitzen. Lange Inaktivitätszeiten führen zu dauerhaften Veränderungen im menschlichen Organismus. Dieser Risikofaktor führt in erster Linie zu Rücken- und Schulter-Nackenbeschwerden. Hier ist jeder einzelne aufgefordert durch vielfältige Bewegung im Arbeitsalltag dem entgegen zu wirken.
Wie sollte man ein Gespräch mit dem Chef angehen, wenn es bisher noch keine oder zu wenige Gesundheitsmaßnahmen im Betrieb gibt?
Prof. Froböse: Jeder Betrieb hat seinen Mitarbeitern gegenüber Aufgaben und Pflichten. Den rechtlichen Rahmen dafür liefert das Sozialgesetzbuch IX. Wer in seinem Unternehmen etwas anstoßen möchte, sollte sich entsprechend informieren und den Betriebsrat ansprechen oder die Personalabteilung dafür gewinnen. Gemeinsam kann man dann das Gespräch mit dem Chef suchen.
Können Sie Best-Practice-Beispiele aus Unternehmen nennen? Und was können andere Betriebe davon lernen?
Prof. Froböse: Was erfolgreiche Firmen im Bereich der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) gemeinsam haben, ist ein Kümmerer. Man braucht einen Verantwortlichen, der das Thema voranbringt. Am besten ist das jemand, der einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt und von außen kommt. Er sollte mit dem Management auf Augenhöhe sprechen können, nur so lassen sich notwendige Maßnahmen umsetzen. Ein einzelner Gesundheitstag bringt da zu wenig. Es braucht vielmehr eine Top-Down- Strategie, wie die Mitarbeiter angesprochen und ständig motiviert werden können. So etwas kann nur ein Kümmerer, wie ich es nenne, leisten. Bei Großkonzernen ist das natürlich nicht eine einzelne Person, sondern da sind ganze Abteilungen nötig, um die Mitarbeiter auf ganzer Ebene zu erreichen.
Woran kann ein Mitarbeiter erkennen, dass die angebotenen Maßnahmen von guter Qualität sind?
Prof. Froböse: Wirklich erfolgsversprechend ist nur ein ganzheitlicher Ansatz aus Bewegung, Ernährung und Entspannung, sowie Organisationsoptimierung und Personalführung. Dabei kommt es natürlich auf die individuelle Qualifikation der ausführenden Trainer an. Es ist allerdings Aufgabe des Betriebs, darauf zu achten, dass qualifizierte Mitarbeiter im Gesundheitsmanagement arbeiten. Für den Mitarbeiter ist kaum ersichtlich, ob die Ausbildung ausreicht. Idealerweise sollte ein betriebliches Konzept aber ein Qualitätsmanagement beinhalten, so dass Mitarbeiter regelmäßig über ihre Zufriedenheit mit den Angeboten befragt werden.
Bewegung ist nur ein Faktor einer gesunden Lebensführung, Ernährung ist ein anderer. Was kann ein Betrieb tun, um darauf positiv einzuwirken?
Prof. Froböse: Wie bereits erwähnt, soll eine BGF einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen. Dazu gehört auch Essen und Trinken. Eine sinnvolle Maßnahme wäre kostenloses Wasser für alle Mitarbeiter. Trinken wird aber leider viel zu wenig beachtet. Nur wer ausreichend trinkt, ist leistungsfähig. Aber auch die Ernährung im Betrieb sollte unter die Lupe genommen werden. Von reinem Kalorienzählen rate ich allerdings ab. Statt auf dem Begriff "gesund" rumzureiten, sollte man Essen lieber als lecker bezeichnen. Den Genuss darf man nicht aus den Augen verlieren und gleichzeitig ist Vielfalt bei der Auswahl in der Kantine gefragt. Und dann schadet auch die Currywurst mit Pommes Frites nicht, wenn diese nur einmal in der Woche auf der Karte steht.
IN-FORM.de: Wie sinnvoll ist ein Vegetarier-Tag in deutschen Kantinen?
Prof. Froböse: Ein strenger Veggie-Day muss nicht sein. Es muss aber auch nicht jeden Tag Fleisch auf den Teller. Es kommt auf die Qualität der zubereiteten Lebensmittel an und dass das Essen schmeckt und abwechslungsreich ist.
IN-FORM.de: Was können Mitarbeiter auch ohne betrieblich geförderte Maßnahmen für sich selber tun?
Prof. Froböse: Nun, jeder Mensch hat es ja selbst in der Hand, ob und wie viel er sich bewegt und wie er sich ernährt. Von daher kann man selbstverständlich eine ganze Menge für sich tun. Selbst wenn es eine BGF geben sollte, heißt das ja noch lange nicht, dass man damit auf die empfohlenen fünf Sporteinheiten in der Woche kommt. Angestellten mit Familie fällt es vielleicht nicht immer leicht, sich die Zeit freizuschaufeln, aber dann kann man beispielsweise den Arbeitsweg nutzen und ab und an mal ins Büro joggen oder mit dem Radfahren, statt das Auto zu benutzen. Es ist letztlich eine Frage der Organisation, ob ich mein Sportpensum schaffe und damit etwas Gutes für meine Gesundheit tue.
IN-FORM.de: Im IN FORM Positionspapier "Bewegungsförderung" werden wissenschaftliche Standards und das Engagement der Zivilgesellschaft gefordert. Welche Rolle spielt darin die BGF?
Prof. Froböse: Betriebliche Gesundheitsförderung stellt eine sehr gute Möglichkeit dar, die Menschen genau da zu erreichen, wo sie sich befinden. Bedeutsam ist nur, dass Angebote und Interventionen bestimmte Qualitätsstandards erfüllen, die bisher noch nicht in ausreichender Form vorliegen. Wissenschaftlich gefordert sind Evidenz, Effizienz und Effektivität für die betriebliche Gesundheitsförderung zu entwickeln und vor allem darauf basierend, Qualitätsstandards zu formulieren. Darüber hinaus geht es darum überhaupt Bewegung in Alltagssituationen zu bringen. Zum Beispiel ist die Planung von Räumen und entsprechenden Wegen, aber auch die Verfügbarkeit von Zeitressourcen ein entscheidender Aspekt zur Bewegungsförderung im Alltag. Hierzu bedarf es insbesondere einer interministerialen Abstimmung, sowie eindeutigen Zielen zur Bewegungsförderung in der Gesellschaft (die auch messbar und nachvollziehbar ist).
IN-FORM.de: Was muss man tun, um möglichst viele Mitarbeiter in einem Unternehmen zu aktivieren?
Prof. Froböse: Ein gutes Gesundheitsmanagement umfasst auch eine Kommunikationsstrategie, damit man möglichst viele Mitarbeiter in einem Unternehmen erreicht. Die wichtigste Maßnahme ist aber der besagte Kümmerer, der Mitarbeiter direkt anspricht und motiviert. Davon hängt der Erfolg einer Maßnahme im Wesentlichen ab.